Postkarte aus Lorch

In Lorch im Rheingau ist gut ankommen: führt ein Taunuswanderweg in den Ort, so kann man gleich hinter dem Ortsschild die Autostraße nach links verlassen und ein enges Sträßlein in den Ortskern nehmen. Dort muß man gar nicht lange suchen, sondern trifft direkt auf eine Bäckerei mit Café, wo es Kaffee auch in Pötten gibt. (Suchen muß man dann am Bahnhof erst; dort stellt ein originelles Gleiszugangskonzept sicher, daß man Richtung Frankfurt schwarz fährt.) Ansonsten hat das Städtchen einen verwinkelten Kern; das Hilchenhaus, ein Renaissancebau, mit dem es gerade noch mal gutgegangen ist; und ein barockes Fachwerkhausgärtlein mit dem allerschönsten Blühdurcheinander, das ich je in einer Stadt gesehen habe. Und was finde ich nachher auf meiner Speicherkarte?

Bloß Bilder von der Mauer zum Rhein hin. Nun. Lassen Sie sich nicht irre machen; in Lorch ist wirklich gut ankommen. Schauen Sie einfach selbst.

Pohlednice z Prahy

Prag, Mutter aller Städte, die Vielfotografierte: im Sommer ist sie tatsächlich golden. Kein hochglanzpoliertes, sondern ein altes Stück, schnörkelig, schadhaft, gewiß nicht leicht zu reinigen. Von den Hügeln aus wirkt Prag, als habe man die Glanzstücke aus allen Stadtbildern zu einem zusammengeschoben, so daß das Auge kaum weiß, wohin. Auch im Kleinen keine Ruhe: jede Fassade grüßt mit Figuren und Fratzen, man will durch die Straßen und Gassen wandern mit dem Kopf im Nacken und bloß keinen Giebel verpassen; man würde wohl von Hunderten, ja, Tausenden vorangeschoben, mitgerissen an den Sehenswürdigkeiten vorbei.

Postkartenhimmel, natürlich.

Die Moldau, breit fließt sie hier, gesäumt von Steinpracht und kühlen Parks, schenkt Ruhe, wenn man die Anmache der Vergnügungsschiffsmatrosen ignoriert und den wirbelnden Strom von Touristen in den Uferanlagen.

Versteckt mitten im Gewühl gibt es Orte, an denen man mehr Tschechisch hört als Englisch. Parks mit tiefen Bänken für Schachspieler, Innenhöfe voller schlafender Tische und Stühle, Museen, Passagen. Und überall Gedenkplaketten: Mahnmale für ermordete Ketzer, Juden, Nonkonforme, Intellektuelle, Kämpfer für Demokratie und Freiheit. Gerade wieder gegenwärtig ist der Einmarsch sowjetischer Streitkräfte, die den Prager Frühling vor fünfzig Jahren blutig beendeten.

Heute wird der Stadt eine andere Art Gewalt zugefügt: Nicht zu übersehen ist die Touristenflut, die zwar Geld bringt, den Altstadtbewohnern aber ein normales Leben unmöglich macht. Unsichtbar sind die Investoren, die den ohnehin kostbaren Wohnraum ins Unglaubliche verteuern. Wer in der Prager Innenstadt wohnt, verkauft keine Brötchen, hat keinen Handwerksbetrieb, steuert keine Tram. Nicht einmal Akademiker können sich das leisten. Aber wer bewohnt, wer belebt dann das Herz dieser Stadt? Oder genügt sie als Kulisse?

 

 

 

Postkarte vom Mittelrhein

Der Rheinburgenweg links des Rheins ist im Vergleich zum Rheinsteig drüben ein bißchen ruhiger, ausgeglichener, nicht gar so glamourös. Und meist auch nicht so überlaufen. Ich habe ihn gern, vor allem im Herbst. Von Boppard gehe ich flußaufwärts; in St. Goar gibt’s, wie ich weiß, Kaffee.

Das Land trägt neue Kleider.

Ich breche in aller Frühe auf. Die schleifenden Wolken machen mich erst glücklich und dann naß: der Morgen vergoldet sie, bevor sie regnen, und an ihnen hängt ein ganzer herrlicher Tag.

Hunsrück und Taunus liegen wie verbeulte Kupfer- und Messingpötte am Fluß; hier und da gibt die Sonne ihnen Glanz. Wo Wein wächst, leuchten Gelb und Rot. Lichter Eichen-Niederwald wechselt sich ab mit aufgelassenen Gärten, man sieht noch die Terrassenmauern und verwilderten Flieder. Kein Walnußbaum hat heute was für mich; ich frage mich, wie die Eichhörnchen das diesen Winter machen, ganz ohne Rucksäcke voller Proviant.

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Himmelfahrt

Fast wie'n Gebirge.
Fast wie’n Gebirge.

Im “niedrigsten Mittelgebirge Deutschlands” ist Frühling: Raps und Kirschen, Löwenzahn und Buchen, frisch belaubt, und darüber ein blitzblankblauer Himmel. Kinners, ist das ein Sonnenschein!

Unterwegs allerhand Bollerwagentrupps: solche mit schlechter Musik aus schlechten Lautsprechern, solche, die Müll streuen und ein paar nette, die uns galant eine Schranke im Wald aufhalten und dann fröhlich ihres Weges ziehen.

Von der höchsten Erhebung des niedrigsten Mittelgebirges gibt es keine Aussicht; für die muß man erst wieder halb runter und raus aus dem Wald. Dann aber scheint “Gebirge” für diese paar Hügel wirklich nicht übertrieben. Merke: Es kommt nicht auf die Größe an, sondern auf den Abstand zu den anderen.

 

 

Postkarte aus der Goldenen Stadt

Ich habe den Winter gefunden: bei minus acht und Schnee gefällt es ihm in Prag. Da hat er Erker und Simse, Standbilder und Zinnen genug, die er weiß verzieren kann. Schöner geht es nicht.

Und das schönste: die Stadt zu Fuß erkunden, im Schlepptau von netten Einheimischen.
Und das schönste: die Stadt zu Fuß erkunden, im Schlepptau von netten Einheimischen.

Prag ist im Winter nur halb voll, halb schnell, halb wach. Im Sommer muß es hier zwei Städte geben, das glitzernde, schrille Prag der Touristen und das deutlich sachlichere der Einwohner. Die trinken günstiger, essen deftiger und gehen ihrem Tagwerk nach, alles in ihrer wohlklingenden, verschlossenen Sprache.
Erst nach einiger Zeit fällt mir auf, was hier anders ist: die Straßen sind enger und verwinkelter als in anderen Städten dieser Größe; Barock steht einträchtig neben Gründerzeit, Gotik neben Jugendstil – und ganze Straßenzüge sind völlig reklamefrei. Keine Plakate, nichts an Laternenpfählen und auf Mülleimern, nirgends kratzt’s und platzt’s im Sichtfeld. Ich merke, wie gut das tut; bei uns wäre das anders.
pr-vys pr-glatt pr-altneu pr-friedhof pr-stadthaus
 
 
 

Postkarten aus dem Norden!

(Fast) vom Kap auf meinen Küchentisch: Karten aus Schweden
(Fast) vom Kap auf meinen Küchentisch: Karten aus Schweden

Ist das schön: bunte Post, ein Mosaik aus Bildern zum Schauen und Rätseln: violette Blüten, Hühnerüberwege, immer wieder M, Wegweiser für Trennungen, Willkommen (je nach Stimmung: im Nirgendwo/überall), Eisbär in Dosen, die Schöneit rostiger Bindungen …
Irgendlink und SoSo haben geschrieben. Reisekünstler Irgendlink ist dem Nordkap (Blogleser erinnern sich: mit dem Fahrrad …) ein gutes Stück näher gekommen.
Danke! Postwendend zurück: meine besten Wünsche, gewaschen, gekämmt und mit einem Lied auf den Lippen, und in den Norden natürlich: ordentlich Rückenwind, zeltgroße Rasenflächen und immer einen offenen Kühlschrank!

Postkarte aus dem Wattenmeer

Bei Flut ist das Meer voller Schiffe, Segel vor Segel vor Segel, wie auf holländischen Gemälden des siebzehnten Jahrhunderts. Bäume am Ufer, Gebäude, Windräder sind weithin zu sehen; so ganz los läßt das Land hier nicht, immer schimmert der Horizont in seinem Griff.

Abend überm Watt bei Ebbe.
Abend überm Watt bei Ebbe.

Zweimal täglich geht die See stiften; dann sieht die schlammige Ebene zwischen den Fahrrinnen aus, als sei sie nie etwas anderes gewesen. Die Schiffe hier haben keine Kiele, sondern links und rechts ein Schwert, das sich beiholen läßt; ansonsten: Segel, Deck, Messe und Kabinen, wie gehabt; an Leinen ziehen, aufklaren, Dienst an der Winsch. Alles für die Zeitspannen, in denen der Dieselmotor schweigt und die Segel sich blähen, in denen das Wasser am Schiffsrumpf rauscht, wenn wir Fahrt machen und der Klipper sich reckt und leise bebt vor Freude am Wind.
ae-fock ae-stange ae-rigging ae-ring ae-fahrt