Dorfrandblume

Rätselgewächs ...
Rätselgewächs …

… widersetzt sich meinen Bestimmungsversuchen. Steht scharenweise in dreißig Zentimeter hohen Stengeln auf den sonnigen Hangwiesen am Ortsausgang, gesehen auf der Rheinhessenwanderung Mitte April.

Kennt die vielleicht wer?

 

Nachtrag:

Das Rätsel ist gelöst dank goldamsel, Philipp1112 und Arabella: es handelt sich höchstwahrscheinlich um einen Nickenden Milchstern, der zu den Stinzenpflanzen zählt, also den Überbleibseln aus ehemaligen Gärten und Parks.

Lest mehr Blogs! Bloggen unterhält, erfreut & bildet!

Frühling in der Wüste

Nicht mal Moos ist hier los.
Nicht mal Moos ist hier los.

Rheinhessen, das ist da, wo sie gnadenlos Jagd machen auf den letzten Baum, der den Wein beschatten könnte; und da ist was dran. Ausschlagen und blühen kann hier fast nichts. Trotzdem gibt es Geflügeltes: lebhafter Gesang aus jedem Busch; darüber hell kreischend Raubvögel. Rebhühner knarren wie verrostet, Krähen halten sich fern der Wege. Ich weiß jetzt auch, wo die Kaninchen wohnen, falls mal jemand eins braucht. Stücker einundzwanzig habe ich gezählt, und das waren nur die furchtlosen.

Ruckediguh!

Die Mosel beherrscht die Kunst des spektakulären Umwegs. Der Moselsteig tut es ihr nach und schnörkelt sich schönstmöglich um den gewundenen Flußlauf. Nichts für Leute, die vom Fleck kommen wollen: ein und denselben Ort sieht man oft eine ganze Etappe lang aus verschiedensten Perspektiven. Genau richtig für Leute, die herrliche Ausblicke schätzen.

Und dann die Kamera vergessen, genauer: die Kamera mitgenommen, aber nicht die Speicherkarte. An einem Sonntag. An der Mosel. Kein Bild, nicht eines, von Bullay bis nach Ediger-Eller.

Kein Bild von dem Zitronenfalter, der mich den ganzen Weg zu begleiten scheint; an jeder besonnten Stelle blitzt er gelb auf und verschwindet eilig. Kein Bild vom Fluß, der im Vordergrund nach links fließt, weiter hinten nach rechts und noch ein Stückchen weiter im Bogen zurück, dreimal dasselbe grünglitzernde Wasser. Man kennt das natürlich, die Rebreihen, die sich direkt ins Wasser zu stürzen scheinen; man kennt die verschlissenen Burgen, die Fachwerkhäuser und die aus Moselschiefer mit weißen Fugen. Aber, ach, es ist schon ein Jammer.

Und dann doch wieder nicht, denn die Hände frei zu haben, ist schön. Manchmal auch nötig, denn zwei Füße reichen nicht immer, etwa auf dem Ziegenpfad vom Calmont hinab zum Bahnhof. “Todesangst” heißt der Abschnitt; so weit würde ich nicht gehen, aber die Winzer hier, die sollten sich besser anseilen bei der Arbeit.

Daher vielleicht auch der Katholizismus in der Gegend – man muß sich gut stellen mit den höheren Mächten –; Kirchen, Kapellchen, Kreuzwege überall. Vor allem Kreuzwege, Bildstationen in den Weinbergen oder am Waldrand, mit Passionsszenen aus allen Epochen und von unterschiedlicher Kunstfertigkeit.

Am Steilhang kommen die Gedanken auf abschüssige Wege. Die Abkürzungen zum Beispiel. Viel Platz ist nicht unter den Bildern, deshalb steht da eben: Jesus w. a. d. Kr. genagelt, und darüber ist zu sehen, wie ein Knecht dem mit dem Hammer die Nägel anreicht. Eine Station heißt: Jesus n. Absch. v. s. betr. Mutter, die kenne ich nicht. Betr.? Hm. Betroffen? Betreten? (Sicher nicht.) Beträchtlich? Betrogen? Betrunken (Weingegend)? Betröppelt (Rechtschreibung)? Ich komme nicht drauf, dann werde ich abgelenkt durch die zwölfte Station, deren Bild zweifelsfrei zu entnehmen ist, daß Jesus am Kreuz durch Enthauptung ums Leben kam. Erst sehr viel später fällt mir ein: Betrübt! Na klar. Derweil lassen die steilen Pfade den Wanderer mitbüßen, doch die Aussichtspunkte sind alle Mühen wert.

Am Abend, aus den Schuhen gestiegen, stutze ich: dunkle Flecken auf den Fliesen??, dann sehe ich, daß das meine Fußspuren sind, jeder Schritt ein blutiger Abdruck. Jadoch, die Strecke ist anspruchsvoll in jeder Hinsicht. Ich würde sie wieder gehen; vielleicht sogar mit Kamera.

Stotterfrühling

Es grünt.
Es grünt.

Irgendwann reicht es mit dem Daheimbleiben, und dann muß man auch bei seltsamem Wetter raus. Das fließt wie Milch durchs Tal und kann sich nicht entscheiden zwischen Regen und Schnee. Die Vögel singen trotzdem, als sei heller Frühling, dabei hocken die Hügel noch grau wie Igel am Fluß. Bloß in Falten und Nischen blüht es schon.

Ich probiere Anstiege und habe gottlob nicht alles vergessen, nicht ganz. Es dauert etwas, bis ich zu Atem komme, bis ich die passende Menge Wolle gefunden habe, wieder richtig knöpfe und krempele, die Schuhe richtig schnüre. Oh, ich bin ungern aus der Übung und kann kaum erwarten, daß es besser wird.

Aber dann! Ich habe wieder Augen. Für die Schneeglöckchenpolster am Hang, wie verschüttete Milch; für das grüne Wasser unten im Tal. Einmal schaut mir ein Hirsch entgegen, mitten auf dem Wanderweg, das Geweih noch in Samt verpackt, bis er doch die Flucht ergreift. Die Sonne glüht ein paarmal fast ein Loch in die Wolken, und da ahne ich auf dem Weg vor mir meinen Schatten. Es geht wieder, es geht wieder los.

rb-blatt rb-nest rb-well rb-skulptur rb-sessel

Maiwanderweg

Alt und neu, dicht an dicht.
Alt und neu, dicht an dicht.

Man muß ja schauen, daß man weiterkommt. Und dann die Jahreszeit, da steigt man die steilen Hänge hoch wie durch Dürers Rasenstück, lauter kleine Stilleben als Inseln auf dem feuchten Schiefer. Und die Vogelmänner, natürlich; die liegen im Sängerkrieg um die besten Nistplätze und die willigsten Weibchen, und man denkt sich: hach. Wie schön.
Also wieder auf den Moselsteig. Man kennt sich bereits und nimmt sich nicht allzu viel vor, rechnet nicht allzu fest mit Kaffee, dafür mit Schweiß und Knien und Aussicht, dann geht das alles bestens von Karden über Pommern und Kail nach Klotten, und auch am Ende sind die Namen noch amüsant.
ms-saat ms-religion ms-gefressen ms-mauerrosen ms-mai
Fürs Protokoll: die Schwalben sind zurück. In Klotten gibt es Kuchen. Wir haben unsere Portion Frühling genossen. Und die Knie … Achja. Achje. Man wird nicht jünger.

Vorfrühlingsfreude

Er sieht noch ganz wie Winter aus, aber er duftet schon nach Pferdemist und Waldmeister. Die Wege sind weich, die Schuhe schwer, und doch hat jeder Schritt Flügel. Wo noch nichts wächst, treiben die Vogelgesänge Blüten. Oh, und wie warm die Sonne scheint! Hinter geschlossenen Lidern ist gleich alles grün. Eine Woche noch, wenn’s hoch kommt, zwei, und dann.
Dann!

Marienkapellchen; Dach überm Kopf, Drache im Baum.
Marienkapellchen: Dach überm Kopf, Drache im Baum, Sonne im Gezweig.

Schwebend

Wiesenweg im Gegenlicht
Taggeschenk.

Im lichtgrünen Teich hängt geblendet ein Frosch, reckt die Arme der Wasseroberfläche entgegen, im Schwimmzug erstarrt; dann sinkt er sacht in die Tiefe und macht sich davon, zurück ins Dunkle, in Sicherheit.
Später steigt ein Fetzen Malerfolie aus dem Park in die Höhe, windet sich in der stillen Luft; wie aus Freude oder als ob es etwas wolle, schwebt es in Vogelhöhen hinauf. Irgendwann zieht die Wärme ihre Hand zurück: da taumelt das durchsichtige Gebilde, trudelt hinab aufs weiche Gras und fängt noch einmal, ehe es zu liegen kommt, hellauf das Sonnenlicht.
Noch später wünsche ich, sehr, daß ich etwas halten kann. Nicht die Seele, aber doch zumindest die Erinnerung.