Herrn G. ist nach Flußschleifen, stark gewunden, und da will ich nicht widersprechen: wir gehen ein Stück Lahn. Auf der einen Seite hat der Westerwald, auf der anderen der Taunus sein Laub auf die Wege geschüttet. Da stapfen wir jetzt durch.
Herr G. erzählt von Flüchtlingen, orientierungslos und ohne Dolmetscher im Zug unterwegs, irgendwo auf dem flachen Lande; Mitreisende machten telefonisch einen ausfindig, der übersetzen konnte. Wie wenig laufen würde ohne die Hilfsbereitschaft zufällig anwesender Menschen. Und ob sich ein Staat auf diese Ressource zu verlassen wagt?
Das Flüßchen schlängelt sich in der Tiefe, parallel schlängelt sich die Landstraße. Wir können sie knapp übertönen mit unseren schweren Schuhen im Laub.
Wozu Religion gut ist. Wie Menschlichkeit durch Zuständigkeit ersetzt wird. Was aus dem Gastrecht geworden ist, das doch überall einmal gegolten haben muß. Es ist November, der Himmel hängt tief. Immer wieder kommen wir auf die 70 Prozent, eine frei erfundene Zahl, die plötzlich Beweiskraft hat, wie herbeigezaubert. Wem man was glauben darf; was das Mißtrauen macht mit uns. Was für ein Gift das ist, und erst der Haß. Wir werden beide ganz niedergeschlagen und greifen nach anderen Themen.
In Bad Ems gibt es ein Café mit wunderbar altmodischem Kuchen. Als wir später den Bahnhof suchen – wir stehen in einem Gewerbegebiet; irgendwo hier muß er doch sein? –, kommt uns ein Fußgänger gerade recht, ein junger Mann mit schwarzem Schopf und Kopfhörern, den sprechen wir an. Erst schreckt er zusammen; dann lächelt er. Zum Bahnhof? Gleich hier hinter dem Parkplatz, in einer halben Stunde gehe ein Zug in unsere Richtung. Er spreche nicht gut Deutsch … Oh, gut genug, um uns zu helfen, vielen Dank! Er strahlt. Wir winken ihm hinterher.
Der hat sich richtig gefreut, sage ich, als wir am Gleis ein letztes Brot verzehren, vielleicht hat ihn hier noch nie jemand nach dem Weg gefragt? Helfen macht wohl glücklicher, sagt Herr G., als geholfen zu bekommen.
Abends falle ich ins Bett und schlafe wie ein Stein. Davon, daß in dieser Nacht in Paris über 120 Menschen bei Sprengstoffattentaten ihr Leben verlieren, daß es wieder einen erbarmungslosen Kampf gegen den Terror geben soll, erfahre ich erst am nächsten Morgen.
Lose Blätter, in jeder Hinsicht. Wir alle eingeschlossen. Schön, wo uns Menschlichkeit dann noch verbindet, uns Wärme schenkt im immerrauen Wind.
Und vor allem im Herbst: schön bunt.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: Es ist in allen.
(Entschuldigung, ich kann’s nicht lassen.)
Aber bitte, nur zu; mich freut das.
Erbarmungslos. Nein. Da ist der Fehler (jedenfalls einer von vermutlich vielen Fehlern, auf allen Seiten).
Ich war erschrocken, als ich die Formulierungen las. Ich bin empfindlich geworden, was Kriegsrhetorik betrifft.
Ja, genau.
Liebe Frau Lakritze, vor einigen Monaten hast Du ein wunderschönes Bild vom Haareis gepostet, aufgenommen bei einem Spaziergang im Wald. Heute las ich diesen Artikel in der FAZ darüber, das könnte Dich interessieren: http://www.faz.net/aktuell/wissen/physik-chemie/raetsel-um-haareis-bildung-auf-totem-holz-geloest-13903182.html Hier ist die Originalstudie auf englisch: http://www.biogeosciences.net/12/4261/2015/bg-12-4261-2015.html
Herzliche Grüße! Jordi
Oh, vielen Dank! (Und was für ein langes Gedächtnis –!) .)
Heute wäre dorten Schnee.
Alles Reden ändert sich in diesen Tagen.
Sollte man Vorsicht walten lassen?
Ich war die Tage im Theater, und es sprachen Leute davon, die Sitznachbarn seien nicht gekommen wegen Terrorangst. Ich weiß ja nicht. Wenn ich dran bin, bin ich dran; aber bis dahin möchte ich nicht in Angst leben. Jedenfalls nicht in solch einer.