Alte Knochen

Bahnhofsromanik
Bahnhofsromanik, schadhaft.

Die Lahn mit Herrn G. wird zur guten Gewohnheit: Von Obernhof mäandern wir flußauf bald durch den Westerwald, bald durch den Taunus; die erste richtige Sommerwanderung des Jahres, auch wenn es in der Nebelsuppe des Morgens noch nicht danach aussieht.

Als wir den ersten Gipfel erreichen, hat auch die Sonne sich durch die Wolken gebrannt. Sattgrün dehnt sich das Hügelland und ist nur, wenn man genau schaut, etwas angefressen: Fasziniert beobachten wir, wie hellgrüne Raupen sich aus dem Laub stürzen, ruckweise fallend, knapp überm Boden hängen bleiben und sich dann in zuckenden Bewegungen am eigenen Faden wieder in die Höhe wickeln. Leicht sammelt man Raupen auf Hut, Schultern, Rucksack.

Quörk, quarr, quörk, quarr: Herrn G.s Schuhe begleiten jeden Schritt mit einem Knarren. Leder auf Leder halt. Später gestehe ich, daß ein gut Teil des Geräuschs nicht seine Schuhe, sondern meine Knie sind. Neue Schuhe und alte Knochen im Duett auf dem Weg, der uns über felsige Rücken zum Wasser führt und wieder in die Höhe. Wenn wir uns laut genug unterhalten, hören wir es kaum.

Weiter …

Zu Fuß flüchten

Herr G. will Lahn. Der Weg ist lange noch nicht ganz gegangen, und letztes Mal war’s Herbst. Also auf nach Bad Ems, und weiter, weiter!

Zum Reinlaufen schön.
Zum Reinlaufen.

Bad Ems muß schön gewesen sein, wurde aber in den fetten Zeiten modernisiert. Aus dem abwaschbaren Bahnhof geht es über die Lahn und weiter zu den romantischen Westerwaldhöhen, die schon Goethe-Freund Lavater beeindruckten. Hinauf werden wir durch ein Parkhaus geschickt. Hätte Lavater dieses Treppenhaus gesehen, er wäre anderswo spazieren gegangen.

Hoch überm Fluß ist es dann …

Lose Blätter

Herrn G. ist nach Flußschleifen, stark gewunden, und da will ich nicht widersprechen: wir gehen ein Stück Lahn. Auf der einen Seite hat der Westerwald, auf der anderen der Taunus sein Laub auf die Wege geschüttet. Da stapfen wir jetzt durch.

Ein paar unter Millionen.
Ein paar unter Millionen.

Herr G. erzählt von Flüchtlingen, orientierungslos und ohne Dolmetscher im Zug unterwegs, irgendwo auf dem flachen Lande; Mitreisende machten telefonisch einen ausfindig, der übersetzen konnte. Wie wenig laufen würde ohne die Hilfsbereitschaft zufällig anwesender Menschen. Und ob sich ein Staat auf diese Ressource zu verlassen wagt?
Das Flüßchen schlängelt sich in der Tiefe …