Lüftelberg mit Herrn G.

Herr G., hatte ich gesagt, ich weiß da was aus dem Internet, so katholisch, daß es schon wieder heidnisch ist, die Römer kommen auch drin vor, es soll scheußlich sein. Da müssen wir hin! – Und so stapfen wir an einem rauhreifigen Wintertag durch überraschend liebliches Gartenland. Hier haben Generationen Obst und Gemüse und Blumen auf kleinsten Parzellen angebaut, die heute noch verschachtelte Fachwerkdörfer umgeben. Raubvogelgebiet. Hier und da liegen Bäche frei.

Für mich ist die Gegend fremd. Man kann weit schauen im Flußtal und die Türme der großen Städte sehen, für die hier einmal das Gemüse gezogen worden ist. Die Hochebene ist topfeben, zerrissen nur von Kiesabbau, der uns zu seltsamen Umwegen zwingt, immer in Sicht des Ziels. Nordrheinwestfalen, behauptet Herr G., besteht aus Reiterhöfen. Irgendwo müssen ja die ganzen Pferde für die Landeswappen herkommen. Langsam glaube ich’s auch; eine Pferdekoppel grenzt an die nächste, an fast jedem Zaun hängt ein Bitte-nicht-füttern-Schild.

Es ist kalt, deshalb trödeln wir nicht. Es gibt ohnehin wenig zu sehen am Wegesrand; zwei, drei Wasserburgen, die aber längst auf dem Trockenen sitzen. Die römische Wasserleitung, die hier einmal verlaufen ist, ist nur noch Legende. In manchen Orten haben Vereine ihren Verlauf auf den Straßen markiert oder einen ausgegrabenen Abschnitt in die Ortsmitte gestellt und mit Blumen umpflanzt, aber wirklich übrig ist nichts.

In Lüftelberg schließlich finden wir erst einmal Überraschendes: die Statue eines Mannes in der Tracht eines chinesischen Mandarins. Das, lese ich später nach, ist Adam Schall von Bell, der 1618 als einer von einer Schar Jesuiten nach China aufbrach, um dort Gottes Wort und die westliche Astronomie zu verbreiten. Die Missionare hielten sich in der portugiesischen Kolonie Macau auf, als die Niederländer angriffen, setzten im Handumdrehen vier defekte Geschütze instand und schlugen die Angreifer in die Flucht; nicht zu spaßen mit den Jesuiten.

Die heilige Liuthildis hingegen ist kaum zu greifen. Mit ihrer Spindel soll sie Wunder gewirkt und sich dann im Turm ihrer Kirche einmauern lassen haben; Genaues weiß man nicht. Die Kirche ist romanisch, aber geschlossen; zur Grabplatte der Heiligen alles gesagt. Wenn ich nicht gewußt hätte, nach was ich suche, hätte ich sie nicht gefunden. Ich mache ein Foto, ehe wir gehen.

Draußen fällt mein Blick über die Steinmauer in einen Streuobstgarten. Dicke, schmutzige Schafe käuen dort unter den kahlen Bäumen wieder, und ich denke, die sind bestimmt letzte Woche allesamt ausgetauscht worden. Herr G. fragt, wieso ich lache. Schwierig zu erklären, wirklich.

Der Rest ist Industriegebiet. Die erstaunlichste Erscheinung daselbst ist ein durchdringender Ingwerduft, unerklärlich, bis ich sehe, daß in einem Verkehrskreisel eine Menge der Knollen plattgefahren auf der Fahrbahn liegt. Schnee gibt es erst ein paar Tage später; schade.

Im Meckenheimer Industriegebiet.