Heute ist Fest in meiner Straße, ab sechs Uhr offenbar. Um diese Uhrzeit müssen alle parkenden Autos weg sein — meines auch.
Bin ich also früh um halb sechs losgezuckelt, habe aber nichts gefunden in der Nähe. Dann eben raus aus der Innenstadt, in die Hellwigstraße, und die knapp zwei Kilometer nach Hause laufen. Erinnerungen an meine Schulzeit werden wach — an den Job als Zeitungsausträgerin …
So früh ist es noch still in der Stadt, die Luft morgenkühl und frisch. Im Gründerzeitviertel leuchten einzelne Fenster in den dunklen Fassaden. Dahinter bringen Mütter ihre Säuglinge noch einmal ins Bett, spielen Computerspieler den vorletzten Level, warten schlaflose Rentner auf den Tag. Menschen mit Kaffee und Zeitung, die eine Stunde für sich allein genießen, bevor die Familie wach und das Leben wieder laut wird.
Die Schaufenster sind schon (oder noch) erleuchtet — na, das wäre aber nicht nötig gewesen …
Ein paar Spätheimkehrer, Bierflaschen in der Hand, trennen sich mit heiseren Stimmen an der Kreuzung. Die Autos an der Ampel klingen noch ungeübt. Um diese Uhrzeit bleibt die Glocke der Turmuhr stumm: neugotisch ragt die Kirche in den Himmel, der allmählich grau wird. Die Stunde, in der auf dem Land der Tau fällt; hier anscheinend nicht.
Mein Blick nach oben begegnet einem anderen, aus einem dunklen Fenster. Ich kann nicht erkennen, ob, wer auch immer da steht und herunterschaut, zurücknickt.
In meiner Straße warten schon die Arbeiter, um für das Fest abzusperren. Sie reden in Walkie-Talkies und schauen den Discomädchen nach, die in die Seitengassen schlüpfen. Der Kehrwagen kommt. Das war’s mit der Ruhe; die Stadt gähnt und räkelt sich. Motoren springen an.
Ich gehe ins Haus und lasse die Stadt draußen ihren Geschäften nachgehen. Jetzt ist sie wacher als ich.