Einmal im Frühling müssen wir Blüte gucken, im Rheintal, und je nachdem, wann wir loskommen, sind es die Schlehen, die Kirschen oder die Äpfel in weiß und rosa Kleidern. Ich treffe Frau Amsel am Inselrhein, wo die Biergartenbetrieber an schönen Tagen auf Abruf sitzen: vielleicht ist ja Öffnen erlaubt heute? Ob, das sehen wir nicht; wir verlassen das Gelände stromabwärts und folgen dem Radweg am Ufer entlang.

Es ist was los. Hunde und ihre Menschen, erste Angler und viele, viele Radfahrer sind unterwegs; wir müssen immer wieder überholen, in den Bärlauch ausweichen, oder wir finden unsere üblichen Ufersteine besetzt vor. Das ist die Pandemie: Radtouren sind das neue Fernreisen; die Naherholungsgebiete werden eng.
Aber links und rechts von uns blüht es: unten scharbockskrautgelb und veilchenblau, und etwas höher schäumt der Weißdorn in den Himmel. Ein paar Glücksminuten lang lauschen wir zwischen Schlehenzweigen den Hummeln und Bienen; dann klingelt uns eine Gruppe auf Rädern aus dem Weg. Die Sonne heizt die Ufersteine; wir weigern uns, uns gescheucht zu fühlen. Ist ja schließlich auch unser Urlaubstag.
Bienen, erzählt Frau Amsel, wissen, daß sie mit dem Pollen auch Gifte einsammeln; deshalb gibt es in Bienenstöcken zweierlei Wachs: das giftige, nach außen hin verbaut, und das gute in der Nähe der Brut. Mit diesem hat sie die Baumwolltücher getränkt, in die unsere belegten Brote eingeschlagen sind.
Als das Licht abendlich wird, fühlt es sich vollends nach Sommertag an. Auf der Heimreise im fast leeren Zug sehe ich die Felder und Gärten vorüberziehen. Daß es noch mal friert, scheint völlig ausgeschlossen.
Erst ab morgen friert es nachts nicht mehr. Die Kirschen haben den Frost sehr übel genommen, die Äpfel sind auch nicht begeistert.
Das ist ein Jammer! Der arme Kaiser Wilhelm (und die anderen). In diesen sehr südlichen Gefilden war das Schlimmste wohl die Trockenheit; so richtig gefroren hat es schon lange nicht mehr.