Europa in drei Zügen

Wer nicht fliegt, muß daheim bleiben? Nö. Wir haben das ausprobiert. Ich wollte Berge, Herr L. Meer. Sehenswürdigkeiten und gutes Essen, bißchen wärmer, man muß in acht Tagen was davon haben und eben ohne Flug hinkommen. Die Wahl fiel auf die Atlantikküste, genauer gesagt den Golf von Biskaya, also das nördlichste Spanien: Baskenland. Da muß das Gepäck leicht sein, All inclusive heißt nur: die Reise selbst ist Teil des Urlaubs.

Da schaut man gern aus dem Fenster.

Von ein paar Städten in Deutschland aus gehen Züge nach Paris, die die Strecke in absurd kurzer Zeit schaffen. Wir haben den riskantesten Teil der Reise, nämlich den nach Karlsruhe, vorsichtshalber etwas früher angetreten – bei der DB weiß man nie – und so noch in der Stadt frühstücken können. (In Karlsruhe liegt übrigens dem Bahnhof direkt gegenüber der Zoo; das muß auch irgendwann mal erkundet werden.)

Der ICE/TGV nach Paris braucht zweieinhalb Stunden. Das ist fast wie Fliegen – die Landschaft rast vorbei, man sieht bei 310 km/h nicht viel davon. Am Gare de l’Est geht es in die Metro, dann am Bahnhof Montparnasse in den nächsten Zug. Hat man großzügig geplant, ist vorher noch Zeit für ein Mittagessen in einer der Seitenstraßen.

TGV Paris–Bordeaux: Wieder nur zweieinhalb Stunden; hier lohnt es sich, aus dem Fenster zu schauen, denn nach Süden verändern sich Land, Licht und Vegetation geradezu spektakulär. In Bordeaux dann Stadtbummel, ausgezeichnetes Abendessen und die erste Übernachtung. Fürs Frühstück braucht man nicht viel Zeit, café, croissant, fertig, und wieder in den Zug nach Hendaye. Diesmal mit Weile. Um Bayonne herum Berge; kurz nach Biarritz erste Sichtung des Meeres.

Hendaye ist der französische Grenzort. Noch bis vor kurzem wurde auf der spanischen Seite Irún angefahren. Aus unerfindlichen Gründen ist das nicht mehr so; der TGV endet in Hendaye, und die letzten Meter über die Grenze muß man mit der Tram nehmen. Das macht nichts, denn die erreicht gegen Mittag direkt unser nächstes Ziel: Donostia (San Sebastián). Hier kann man es zwei Tage gut aushalten, das Essen ist großartig, der Atlantik eine Wucht. Wir gehen spazieren, gucken und kehren bei Hunger in einer der zahlreichen Bars ein, Pintxos essen; das ist die baskische Variante von Tapas, kleine Kunst auf Spießen.

Mit dem Bus geht es dann nach Bilbao. (In Spanien versorgen regelmäßige Buslinien das ganze Land. Fernverbindungen muß man im Voraus buchen.) Bilbao ist durch ein paar gute stadtplanerische Entscheidungen zu einem sehr attraktiven Ort geworden mit dem Gehry-Bau des Guggenheim-Museums als Aushängeschild. Wir finden die Markthalle (mit frischen Meeres-Pintxos), die beste Bäckerei, Museen, allerhand Kirchen und ein paar Vororte in Richtung Meer; das alles mit Bussen, der städtischen Tram und der U-Bahn, die für wenig Geld die halbe Provinz erschließen.

Die Abreise ist noch nicht Ende des Urlaubs. Mit dem Bus gelangen wir über die Grenze bis Hendaye, wo wir Bootchen gucken und später auf dem Hauptplatz ein sehr gutes Mittagsmenü finden; in Bordeaux wissen wir schon vom letzten Mal, was wir sehen und was wir essen möchten, und am letzten Tag bringt uns der schnelle Zug nach Norden, mit Umstieg und Mittagspause in Paris (am Gare de l’Est gibt es eine brauchbare Markthalle, aber das ist auch schon das Freundlichste, was man über diesen Bahnhof sagen kann).

Erholt kommen wir zuhause an.

Fazit:

Frühes Buchen lohnt sich, aber dennoch ist die Reise mit dem Zug teurer als die mit dem Flieger. Das liegt auch daran, daß die Zusammenarbeit der Deutschen Bahn mit anderen europäischen Bahngesellschaften schon mal besser war. (Wäre ein eigenes Kapitel.)

Dieses Reisen in Stationen macht mir Freude; ich sehe, wie sich die Landschaft ändert, und gewinne Eindrücke von unterwegs. Mit kleinem Gepäck, etwas Recherche und Sprachkenntnissen (danke, Herr L.!) sind alle Wege lohnende Expeditionen. Wir hatten unsere Unterkünfte immer im Herzen der Stadt, so daß wir auch kurze Aufenthalte auskosten konnten.

Der Urlaub war vom Abschließen der Haustür bis zur Heimkehr geruhsam, weil wir immer genügend Luft eingeplant hatten. Falls mal was schiefgeht (wir hatten Glück); und weil es sich nach einer guten Mahlzeit angenehmer reist. Die unausweichliche Genervtheit, die mich auf Flughäfen befällt, blieb mir erspart; weniger Warten, weniger Plastik, und keiner hat mein Gepäck durchwühlt. Ein angenehmes Gleiten vom Alltag in die Ferien und wieder zurück.

Und überhaupt: Kein Geld tauschen, keine Kontrollen; einfach losziehen. Bei allen Eigenheiten der Regionen doch immer klar in Europa und somit auch zuhause sein, das ist toll.

 

 

 

0 thoughts on “Europa in drei Zügen

  1. Dann liest sich so, als sei es doch nicht ausgeschlossen, ohne Auto noch mal dort hin zu kommen. Besten Dank für diese Reisemöglichkeitsschilderung.

    1. Ich finde, der gesamte Flugverkehr ist Streß; und wenn ich zusammenrechne, wie viel Zeit für Wege, Kontrollen, Check-in und Warterei draufgehen – so viel schneller ist es oft auch nicht.

  2. Schöne Reise, mehr davon, es gibt sicher noch ein paar erzählenswerte Ausschweifungen.

    Und ja, Fliegen ist absurd viel billiger als alles andere. Gerade wieder bei der Buchung des nächsten Urlaubs (Ende Februar wieder mit Hurtigruten die norwegische Küste rauf und runter im ältesten Schiff der HR-Flotte, Kabine sicher kaum komfortabler als bei Clipper) erlebt: Ich will erst nach Oslo, dann mit der Bergen-Bahn nach Bergen (6-7 Stunden, gemächlich durch die Berge) und in Bergen dann aufs Schiff. Ich hatte probiert, mit der Eisenbahn nach Oslo (Verbindungen sind aberwitzig umwegig und gehen teils über Stockholm) zu kommen, sowie mehrere Varianten mit verschiedenen Fährverbindungen und Zug. Es kostet alles mindestens zehnmal soviel wie ein Flug (65 € p.P.) Da kann ich dann auch noch gut den Ablasszettel für die CO2-Kompensation dazu kaufen).

    1. ABSURD billiger, genau das trifft es – und ist ja auch nur so, weil Kerosin ABSURD subventioniert wird.
      Wir sind ja hier am nördlichsten Zipfel Deutschlands und deshalb schon lang nicht mehr winters in wärmeren Gefilden gewesen, schade eigentlich – aber zu fliegen kommt einfach nicht in Frage!

    2. Vilmos: Wie schade! So ein bißchen Orient-Express-Flair, damit könnte man den Urlaub angemessen beginnen. (Nach Norden wollen wir auch mal; ich bin gespannt, was das wird.)
      Fjonka: Aus dem Norden müßtest Du sicher noch einen Tag dranhängen. Und dann in einer exotischen Stadt wie z.B. Saarbrücken übernachten. .)

      1. Orient Express Flair: Ich träume ja immer noch davon, hier einmal in den Nachtzug nach Budapest zu steigen. Einfach nur, weil das ein besonders schöner Zug ist. Aber zur Zeit ist Meer dran, und solange Budapest nicht am Meer liegt…

  3. Und die Ökobilanz ist erst noch klimaneutral … 😃

    Hey, das alles freut mich sehr. Baskenland klingt tatsächlich nach einer sympathischen Gegend. Danke für den Tipp und den anschaulichen Bericht.

    Vor allem teile ich dein Fazit, dass eben die „Hinreise“ und die „Rückreise“ unbedingt Teil des Urlaubprozesses sind.

    Danke fürs Teilen!

    1. Danke! Ich glaube, wenn man sich vom Konzept “einsteigen, aussteigen, Urlaub” verabschiedet, kann man sehr viel mehr Freude haben. Aber Reisen als Kunst, das ist ja fast Dein täglich Brot …
      (Ich lese auch gern bei Andreas Moser, der hat Reisen und Leben ganz und gar zusammengebracht.)

  4. Es geht also doch – Urlaub im Ausland ohne Fliegen, wie schön. Ich würde nie in ein Flugzeug steigen, aber der TGV wäre mir wahrscheinlich doch auch ein bisschen zu schnell. Der Orient-Express, das wär’s …
    Danke für die schöne Schilderung 🙂

  5. Eine schöne einladende Schilderung – vielen Dank.
    Ich bin zwei Mal per Zug in Spanien gewesen, einmal mit einem damals vierjährigen Kind und habe es nicht bereut.
    Meinen Lieblingszug, den Nachtzug Hamburg-Paris, gibt es leider nicht mehr.

    1. Das Kind fährt bestimmt begeistert Zug! .)
      Bis Spanien habe ich es vorher nie geschafft, aber nach Ungarn und über den Brenner nach Italien, und diese Nachtzüge gibt es auch nicht mehr. Schade drum; bei aller Romantik waren sie doch sehr praktisch. Und, damals jedenfalls, vergleichsweise billig; da galten deutsche Ermäßigungen anteilig auch in anderen Ländern. Das ist leider auch nicht mehr so.

      1. Das Kind ist längst kein Kind mehr …
        ist aber meist recht selbstbewusst ohne Auto und Flugzeug unterwegs.
        Die Reise hatten wir damals über mehrere Tage gedehnt und auf den langen Strecken bevorzugt Nachtzüge genutzt.
        Es war ein schöner Urlaub

  6. Danke für diesen Bericht. Ich bin näher an Karlsruhe und habe Verwandtschaft in Spanien, da sollte es doch möglich sein, mit ohne Kerosinverbrauch durchzukommen …

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