So, dann bin ich jetzt wohl auch noch schuld, daß der Einzelhandel in den Städten stirbt. Oder?
Nach bald zwanzig Jahren wird mein Gerätezoo merklich alt. Der Sprudelwirker wirkt nicht mehr zuverlässig, der Rohrwalker rostet an den Kanten; doch nun zerbröselte der Rautenscherber, und ohne Rautenscherber geht es nun mal nicht. Ein neuer mußte her, und schnell.
In meiner Straße firmiert Geräte Bürsting, im Schaufenster glänzende Rohrwalker, Hebeställchen in verschiedenen Ausstattungen, sogar bunt lackierte Pumporgeln. Natürlich gab es hier einen Rautenscherber. Sehr schick, mit allem Schnickschnack. Die Steilschrauben schrappten ein wenig, die Rahmenhöhe war nicht optimal, aber die Technik: fortschrittlicher als beim alten. Ganz billig isser nicht, aber dafür wird er Ihnen auch geliefert und fachgerecht angeschlossen, versprach Herr Bürsting. Und das Altgerät nehmen wir gleich mit.
Ein paar Tage später kamen zwei Männer in roten Overalls, bauten den alten Rautenscherber aus, den neuen ein, schraubten ein bißchen dran rum, und dann hatte ich ihn. Er funktionierte.
Mh. Sieht doch ein bißchen so naja aus, dachte ich. Die Scherbermuffen stehen ungleich weit vor. Dann die schrappenden Steilschrauben. An der Rahmenhöhe würde man vielleicht was machen können … Aber nach dem ersten Einsatz war klar: die Dümpler klemmen. Schlechte Verarbeitung. (Vorher sehen konnte man das nicht.)
Das liegt an der Spezialbohrung, gab Herr Bürsting zur Auskunft, am nächsten Tag danach gefragt. Aber die klemmen, sagte ich. Ja, die Bohrung, sagte Herr Bürsting. Aber ich möchte nicht zwanzig Jahre mit klemmenden Dümplern arbeiten müssen, sagte ich, da müßte ich mich ja zwanzig Jahre lang ärgern. (Ein bißchen sehnte ich mich nach meinem Altgerät zurück.) Ja, sagte Herr Bürsting, aber da kann ich nun auch nichts machen.
Nun habe ich einen Rautenscherber, schick und teuer und mit klemmenden Dümplern. Ich würde ihn gern gegen ein Gerät einer günstigeren Marke tauschen (klar, ich müßte einen Abschlag zahlen), bei der die Dümpler flutschen. Aber mein Rautenscherber ist einmal benutzt, deshalb nimmt ihn die Firma Bürsting nicht zurück.
Ich wollte wirklich, wirklich das Geschäft in der Nachbarschaft unterstützen. Hätte ich den Rautenscherber im Netz bestellt, wäre er billiger gewesen, und ich hätte ihn 14 Tage lang zurückgeben können. Nun muß ich einen Käufer finden, das Riesengerät verpacken und versenden und weiß obendrein nicht, wann ich den Stellplatz wieder zur Verfügung habe.
Andersherum kann ich Herrn Bürsting verstehen; das Gerät ist gebraucht und sicher auch für ihn nur schwer verkäuflich. Aber nach all dem Ärger werde ich garantiert weder Rohrwalker, weder Sprudelwirker noch Pumporgel in seinem Geschäft erwerben. Und Herr Bürsting wird nie erfahren, daß ich eine Kundin von geradezu pathologischer Treue bin, wenn ich Grund dazu sehe.
Die ökonomische Vernunft gebietet, den nächsten Kauf dieser Größe gleich im Netz zu erledigen; und das ist etwas, das ich eigentlich nie wollte. Denn ich möchte doch nicht, daß meine Stadt ausstirbt. Aber was bleibt mir übrig?
Jahrelang habe ich beim Händler meines Vertrauens Barkenbalben gekauft. Ganz einfache, ohne Schnickschnack.Die gab es in jedem Kaufhaus und dem Handel vor Ort. Aber schon lange nicht mehr. Bleibt mir nichts anderes zu tun, als sie im Netz zu ordern – da gibt es die sogar mit oder ohne Pinnensapier. Schade, keiner mag mich in der Stadt als Käufer von Barkenbalben haben.
Ja, das ist manchmal der entstehende Eindruck: die wollen keine Kunden. (Also schon klar, daß sie keine wollen, die ständig das ganze Sortiment zur Verfügung haben und siebenmal umtauschen möchten. Aber auch Vernünftige wollen sie nicht.)
Mir geht es manchmal so mit eigentlich nicht mehr lieferbaren Büchern. Ich kann drölfzig Antiquariate durchforsten, dazu brauche ich ein Jahr. Oder ich kann beim Gottseibeiuns die Suchfunktion nutzen, was mich zwei Minuten kostet. Lebenszeit ist auch wertvoll. Meine Staubsaugerbeutel gibt es nicht mal mehr antiquarisch, aber beim Gottseibeiuns schon.
Zum Heulen, ja. Ich ärgere den Gottseibeiuns, indem ich in meine liebste Buchhandlung gehe und über die bestellen lasse. Das kostet mich ein wenig mehr, aber dafür weiß der Gottseibeiuns nix von mir. Gegen Saugerbeutelmagel hilft das alles nix, ist klar.
Für solche, die den Weg zu einer Buchhandlung scheuen: Das Verzeichnis antiquarischer Bücher ist auch online und nicht der Gottseibeiuns.
Das größte, ZVAB, leider schon. Bleiben immer noch antiquariat.de, Bücherflohmärkte und die richtigen Läden; die, und Finderglück.
Lese ich hier Geheimbotschaften? Rohrwalker,Barkenbalben,Scherbermuffen…, was ist das?
Haha, alle Namen wurden von der Redaktion geändert. Ich wollte hier keine zielgruppenorientierte Werbung. (Und sei es nur untendrunter, für die Besucher-die-nicht-eingeloggt-sind.)
Ihr wisst ja offensichtlich fast alle, wovon ihr rautenscherbermäßig redet…gebt ihr für einen armen Nichtdurchblicker eine Chance, den Code zu knacken?
Ist eigentlich egal; könnte jedes Gerät sein. Auch das allergewöhnlichste. (Meiner läuft mit mit Gas, das steigert die Exotik etwas.)
Das Dümplerproblem kenne ich auch von meinem alten Rautenscherber. Nach vielem Hin und Her fand ich damals eine alte Reparaturanleitung aus den Sechzigerjahren, in der empfohlen wurde, den Batzen zu bespötteln. Und siehe da: Seither klemmen sie nicht mehr. Hätte natürlich auch der Servicetechniker an der Hotline drauf kommen können, aber er wollte mir partout neue Dümplergewölle verkaufen, für 98 Euro das Stück!
Was neue Rohrwalker angeht, würde ich generell abraten. Schließlich sollen schon auf der Frühjahrsmesse die ersten 3D-gedruckten Karenzwalker gezeigt werden. Damit kannst Du dann auch nut- und grindwalken, und das alles ohne Verschleißteile. Sagt dir aber natürlich auch kein Fachhändler…
Batzen bespötteln –! Da hätte man drauf kommen müssen. Aber nun ist die Kleinanzeige bereits aufgegeben …
Macht doch nichts. Kannst ja, wenn sich wer meldet, sagen, das Teil sei schon vergeben. Wenn Du es jetzt doch selbst behalten willst, stimmt das sogar, oder?
Nee, jetzt kommt er wech. Er hat nämlich — auch noch! — die falsche Farbe.
Ach, das könnte man sicher auch heimwerkerisch ändern, oder?
Köstlich, diese diversen Unkenntlichkeitsmachungen.
Mein Maschinenpärkchen hält derzeit tapfer durch, wer weiß, wie lange noch.
Barbareske Grüße von
Sonja
Da kann man nur Daumen drücken. Das wissen nämlich die Götter, wie lang so was hält.
Auch ich schmunzle. Köstlicher Text!
(Ich bestelle vieles online, zugegeben, aber dort dann eher bei den „Kleinen“. Aus besagten Gründen.)
Irgendwann geht’s halt nur (noch) per Netz … Aber hier wäre es anders möglich gewesen. Mpf.
Hier brauche ich keinen Rautenscherer. Aber anderes brauche ich. Alltägliches. Nichts mit klemmenden Dümplern.
Ich weiss eigentlich auch, wo ich was bekomme, habe grad vor zwei Monaten wieder einen Schaumspritzer gekauft. Nun ist er leer, ein neuer muss her. «No hääf!» (we don’t have this) sagt man mir in selbigem Geschäft, bekomme auch keine Auskunft, wann diese wieder verfügbar sind, denn die Verkaufskraft(?) erinnert sich nicht einmal, dass noch vor kurzem welche im Regal standen.
Also: Bestellung übers Netz. Eintreffend in drei Tagen, Bezahlung bei Erhalt. Mit Rückgaberecht, sollte der Schaum nicht ordentlich spritzen.
Ja. Praktisch ist es wirklich. Aber noch praktischer wär’s, das ginge sozusagen ganz zu Fuß … Seufz.