Blick in die Zukunft

Es ist früh am Tag, als wir uns auf das letzte Stückchen Rheinburgenweg machen, das uns noch fehlt. 25 Kilometer, schnell hinauf in die Höhen, mit Blick auf den Rhein, die Mosel vielleicht, ein wenig Ahrtal.

Blick vom Berghang in den Nebel
Das wäre Ihre Aussicht gewesen …

Nun ja. Klart doch sicher noch auf im Laufe des Tages …

Blick über Felder in den Nebel
… oder vielleicht das hier.

Nicht?

Blick über Felder in den Nebel
Weil’s so schön ist …

Ach, machen wir das einfach noch mal, bei besserem Wetter, ja?

Beim Korrekturlesen halbamtlicher Publikationen

Das Arbeitsteam setzt sich entsprechend den projektspezifischen Anforderungen aus den leitenden Gusswerksingenieurinnen, leitenden Gusswerksingenieuren und nicht-leitenden Fachkräften wie etwa Verfahrenstechnologinnen und Verfahrenstechnologen/Maschineneinrichterinnen und Maschineneinrichtern, Werkzeugmacherinnen, Werkzeugmachern und Zerspanungsmechanikerinnen bzw. -mechanikern Schleiftechnik, Feinmechanikerinnen und -mechanikern, Schmiedinnen und Schmieden, Schweiß-, Feil-, Bohr- und Gusstechnikerinnen bzw. -technikern, Verfahrenstechnologinnen bzw. Verfahrenstechnologen Metall, ausgebildeten oder angelernten CNC-Fräserinnen und -Fräsern, Prozesstechnikerinnen und -technikern, Metallografinnen und -grafen, Sandformgießerinnen und -gießern/Feingussformherstellerinnen und -herstellern/Gusskontrolleurinnen und -kontrolleuren, Erosionstechnikerinnen und -technikern, Metallgewebemacherinnen und Metallgewebemachern sowie Stanz- und Umformmechanikerinnen und Stanz- und Umformmechanikern zusammen.

(Abbildung ähnlich)

Aus einer Arbeitshilfe für Verwaltungsfachangestellte.
Die Armen.

Kurzsichtig

Auf einer kleinen, netten Veranstaltung, auf der kleine, nette Bierbrauer ihre Erzeugnisse vorstellten, fielen diese Kunststoffbehälter auf, aus denen Sitzgelegenheiten, Theken, alles mögliche zusammengebastelt war. Unmengen davon. Das sind, erklärte einer, die Einwegfässer. Die ganze kleine, nette Sache: ein Berg aus Plastikmüll.

Und die, die da protestieren, schimpft einer über die Blockaden im Hambacher Forst, die waren doch noch nicht mal geboren, als die Verträge geschlossen wurden, und was er als Argument gegen die Proteste meint, ist ein, wenn nicht das Argument dafür.

Wir fressen unseren Kindern und Kindeskindern die Teller leer, hinterlassen ihnen eine Problemmüllhalde und nennen es: Lebensstandard.

Wer billig übersetzt, übersetzt zweimal

“…dyed blue.” Die Violine, so steht es im englischen Text, würde nicht gespielt, sondern “tousled, fleeced, dyed blue”, und das ist so eine Stelle, an der wacht man unweigerlich auf. Blau gefärbt??

Ein Blick ins Netz klärt mich auf: der Musikkritiker Eduard Hanslick urteilte über Tschaikowskys Violinkonzert, daß die Violine “gezaust” und “gerissen” werde – und “gebläut”. Nach der alten deutschen Rechtschreibung hätte hier “gebleut” gestanden; damit wäre vermutlich weniger schiefgelaufen. Für “gebläut” aber greifen die Online-Übersetzungsprogramme knapp daneben und bringen Begriffe aus der Färberei zum Vorschein … Rest kann man sich denken.

(Mich hat das immerhin dazu gebracht, Hanslicks Kritik nachzulesen. Dieses “Violin-Concert”, schreibt er, “bringt uns zum erstenmal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könne, die man stinken hört”. Mit blaugefärbter Violine, so nehme ich an, kein Problem.)

 

Öffentliche Ärgernisse

Ein Mensch braucht aufrecht einen Quadratmeter Platz, im Liegen vielleicht zwei. Hat er ein Auto, kommen noch mal drei bis vier Quadratemeter Erdoberfläche hinzu, die er dauerhaft belegt; im Fahren deutlich mehr als im Stehen, aber im Stehen besonders auffallend. Treten Sie in einer beliebigen Stadt auf die Straße, schauen Sie, wie viele Autos fahren und wie viele stehen (oder, Rush Hour, eine Kombination aus beidem), und dann kehren Sie die mal alle gedanklich auf einen Haufen – wäre so viel Platz nicht herrlich?

Ich wohne in der Innenstadt und bin heilfroh, daß ich kein Auto habe. Die Bilanz ist eindeutig: kein eigenes Auto bedeutet für mich mehr Zeit, mehr Geld, weniger Sorgen.

Die Idee, den öffentlichen Nahverkehr in Städten kostenlos zu machen, finde ich erst mal erstaunlich. Wäre für mich persönlich ganz nett; damit käme ich noch billiger vom Fleck. Aber mir geht es nicht darum, etwas geschenkt zu bekommen. Das allein kann’s nicht sein, da müßte noch deutlich mehr passieren. Dichtere Taktung der Busse, zum Beispiel. Kraftstoff für Autos müßte realistisch viel kosten, Parken deutlich mehr. Endlich Tempolimits (die Diskussion in Deutschland darüber ist keinen Deut besser als die der Amerikaner über Schußwaffen). Was im Spiegel angedacht wurde: kostenloser Nahverkehr vor allem auf dem Lande, wo es tatsächlich ohne Auto oft nicht geht. Damit das nicht so bleibt: Bessere Durchmischung der Ortschaften und Viertel mit Geschäften, Dienstleistern, Versorgern: das gab’s alles mal. (Dazu müßte man auch über Miet- und Immobilienpreise in den Städten reden.) Bessere Infrastruktur für Fahrräder und Fußgänger.

Klar, ich bin privilegiert. Ich habe alles in der Nähe, ich bin gesund und mobil. Ich laufe gern. Aber wenn ich (vor allem von älteren Leuten und von Autohäusern) nahegelegt bekomme, doch langsam wieder ein Auto zu kaufen, man müsse doch eines haben; wenn ich angestaunt werde, weil ich einen Weg von eineinhalb Kilometern zu Fuß zurücklege (und zurück auch noch!); wenn ich mich rechtfertigen muß, weil ich angeblich mit dem Auto auf Segnungen der Zivilisation verzichte, dann weiß ich nicht so recht. Status, Gewohnheit und Bequemlichkeit? Dafür muß ich mir nicht den Lebensraum zustänkern und vollstellen.

Ich wäre sehr, sehr froh, wenn sich statt Aktionismus wirklich etwas täte. Auch wenn’s erst mal wehtut. Die Frage ist: was muß man tun, um das Auto überflüssig zu machen? Status, Gewohnheit, Bequemlichkeit: naja! Und die Bedingungen, daß mehr Menschen ohne Auto auskommen können, müssen politisch geschaffen werden. Über die Legislaturperiode hinaus.

Kürzlich belauschte ich ein Gespräch im Bus; zwei ältere Frauen sprachen über “diese jungen Ingenieure”. Die hätten ja zum großen Teil gar keinen Führerschein mehr, wunderte sich eine, und wollten den auch gar nicht machen; das hätte es früher nicht gegeben. Drei Kreuze, dachte ich; es besteht wieder Hoffnung.

 

 

 

Einfach drüberfärben!

Nennen Sie mich überempfindlich, aber bei dieser Werbung, so gern ich die Geschichte gelesen habe, wird mir ganz anders.

Ich weiß nicht, ob so für eine Diät, ein Fitneßstudio oder einen plastischen Chirurgen geworben wird; das scheinen mir auch nur Abstufungen derselben Sache, denn für alle drei gibt es vor allem dann Bedarf, wenn genügend Menschen feststellen, daß ihre Körper nicht brauchbar sind. Aber fürchtet euch nicht, denn für nur 79,90 im Monat* könnt ihr genau den Körper bekommen, der zu euren Plänen paßt (bzw. ihn euch im Schweiße eures Angesichts erarbeiten, wir sind ja nicht zum Vergnügen hier)!

Der Mensch als Gott. Alter? Konstitution? Vielleicht sogar: Neigungen? Alles nur mehr eingebildete Grenzen; wenn du nur wirklich, wirklich willst, wenn du investierst, kannst du dich zu allem** formen.

Man kann sich darüber wundern oder amüsieren, wenn ungefragt Haartönungen empfohlen (“schaut völlig natürlich aus!”) oder die Segnungen formender Unterwäsche gepriesen werden (“hast wohl Weihnachten gesündigt, höhö!”). Es ist der Mitwelt offenbar nicht egal, wie man aussieht; das ist doch, naja, vielleicht auch was Schönes. Aber wo ist das Ende der Anteilnahme? “Solche Zähne begradigen ist für einen guten Kieferchirurgen doch gar kein Problem”, “Gegen Depression gibt es ja zum Glück gute Medikamente”, “Ach, bei Kinderlosigkeit kann man heute so viel machen …”?

Du kannst alles werden, was du willst! – Wieso findest du dich damit ab, wie du bist? Du kannst viel mehr aus dir machen! – Oh, ach? Na, da hast du dich wohl nicht genügend angestrengt … Oder willst du bloß nicht? — Aus Möglichkeit wird Recht wird, schwups, das neue Normal.

Aber was rege ich mich auf. Ist doch alles freiwillig.

 

*Mindestlaufzeit: 12 Monate, kündbar zum Quartal
**zu Risiken und Nebenwirkungen erkundigen Sie sich bei Ihrem Arzt oder Apotheker; Anbieter übernimmt keine Haftung für etwaige Schäden

 

 

 

Probleme mit Prinzipien

So, dann bin ich jetzt wohl auch noch schuld, daß der Einzelhandel in den Städten stirbt. Oder?

Nach bald zwanzig Jahren wird mein Gerätezoo merklich alt. Der Sprudelwirker wirkt nicht mehr zuverlässig, der Rohrwalker rostet an den Kanten; doch nun zerbröselte der Rautenscherber, und ohne Rautenscherber geht es nun mal nicht. Ein neuer mußte her, und schnell.

In meiner Straße firmiert Geräte Bürsting, im Schaufenster glänzende Rohrwalker, Hebeställchen in verschiedenen Ausstattungen, sogar bunt lackierte Pumporgeln. Natürlich gab es hier einen Rautenscherber. Sehr schick, mit allem Schnickschnack. Die Steilschrauben schrappten ein wenig, die Rahmenhöhe war nicht optimal, aber die Technik: fortschrittlicher als beim alten. Ganz billig isser nicht, aber dafür wird er Ihnen auch geliefert und fachgerecht angeschlossen, versprach Herr Bürsting. Und das Altgerät nehmen wir gleich mit.

Ein paar Tage später …

Alle Jahre früher

Es wintert, finstert und dezembert wieder.
Und wie die Tage täglich kürzer werden,
so häufen sich die üblichen Beschwerden:
Schon sträuben Engel güldenes Gefieder,

schon jingelt es, schon tönt’s und schallt’s, schon funkeln
die LEDs und blinken grell und bunt;
auf Weihnachtspyramiden geht es rund,
Geschäfte streuen werbend Licht im Dunkeln.

Jetzt kommt die Zeit, in der ich mich verkrieche.
Bis wirklich Weihnacht ist, bin ich längst müd
und froh, wenn ich kein Spekulatius rieche,

wenn weder Wein noch Zwenzkranzkerze glüht.
(Und wenn wir wirklich wieder etwas feiern,
dann frühestens das Fest mit diesen Eiern.)

 

 

(IV) Museumsmeckerei

Kuratorinnen und Ausstellungsmacher!

Großartige Exponate haben Sie da zusammengetragen. Und das Konzept — toll, wirklich. Stringent, mit Überblick und Vertiefung, auch an Kinder wurde gedacht, nix zu sagen. Museumsräume: herrlich, sowieso.

Eines aber macht mich fertig: Wer, zum Uhu, erstellt denn diese Schilder an den Exponaten? Bzw. wer tippt die Texte, bzw.: wer liest da nicht korrektur?! Immer wieder versuche ich mich in Toleranz zu üben, aber ab etwa Fehler Nr. 3 ist’s vorbei. Da können Type, Farbgestaltung, Beleuchtung noch so raffiniert sein – der Rundgang wird für mich zum Spießrutenlauf, die Texte verschwinden hinter der Rechtschreibung. Wie ein Weg, auf dem man nur die Schlaglöcher sieht und nicht das Panorama; wie eine Suppe voller Wacholderbeeren, die man so langzähnig essen muß, daß man nachher nicht weiß, wie sie schmeckt.

Nun bin ich Korrekturleserin, mir springen solche Sachen ins Auge. Und katapultieren mich aus dem Vergnügen knietief in die Arbeit … Déformation professionnelle. Es bin aber nicht ich, die mit Bleistift durch die Ausstellungen geht, auch wenn’s manchmal in den Fingern juckt.

Argh.

Bitte, liebe Verantwortliche: so teuer kann ein Korrektorat nicht sein. Leisten Sie sich eins, damit niemand durch eine Ausstellung gehen und denken muß: interessante Sache, aber doch ein bißchen lieblos gemacht.

Und damit Leute wie ich Ausstellungen entspannt genießen können. Ich würde mir dann sicher auch öfter den Katalog kaufen.

 

Zur Blogparade des archäologischen Museums Hamburg.