Im Paradies, da bin ich sicher, muß es Leinen geben! Leinen faßt Kissen griffig ein und lindert Sommernächte mit kühler Hand. Frisches Leinen duftet weiß und zieht den Schlaf an; es kann schwer sein wie ein Kettenhemd und im Wind knattern, daß einen das Fernweh packt.
Leinen liebt Hitze: Unterm glühenden Bügeleisen bekommt es Glanz. Was als kalte, krumme Lappen aus der Wäsche kam, streckt sich wohlig und zeigt gewirkte Muster: Fischgrat auf der hessischen Hausweberei, Veilchensträuße auf den herrschaftlichen Servietten. Leinenweiß würde es, wenn es Tau und Sonne trinken dürfte auf der Bleichwiese. (Es gibt eine Bleiche am Fluß, aber die ist vierspurig ausgebaut …)
Und dann sind da die Monogramme. Taufkleid, Nachtwäsche, das letzte Hemd — jedes Stück trägt das stolze Zeichen seiner Besitzerin, Trägerin und womöglich Herstellerin.
Ich könnte kein Kleidungsstück machen — vom Raufen, Riffeln, Rotten, Brechen, Schwingen, Hecheln, Spinnen, Haspeln, Weben auf dem Weg vom Flachs zum Tuch habe ich allenfalls eine blasse Ahnung. Den Handwerkerinnen und Künstlerinnen von damals erweise ich meine Reverenz, indem ich ihre Werke hundert Jahre später bügle, während alles andere bei mir knittrig bleibt.
Nachgereichte Links:
Bericht über die handwerkliche Herstellung von Leinen
Zur Geschichte der Leinenherstellung in Deutschland
Eine aktuelle Bezugsquelle für Leinen
Und noch ein Nachtrag:
Unter www.leinen.de gibt es neuerdings wieder Leinenstoffe von Holstein Flachs. So schön!