In der elften Runde der Umfrage geht es um Süßes und Saures und um Bier; um die Aussprache von Fremdwörtern; und Sie werden erfahren, was ein Pittwock/Hümmelken/Abramchen ist.
In neuem Glanz erstrahlt der Atlas zur deutschen Alltagssprache, der mit Hilfe des Netzes eine Bestandsaufnahme unseres Sprachgebrauchs angeht. Schon seit einigen Jahren laufen Fragerunden, deren Ertrag natürlich davon abhängt, daß möglichst viele Sprecher aus möglichst vielen Regionen teilnehmen.
In der Auswertung der neunten Fragerunde erfahren Sie etwa, wo man Sie für »stickum« nicht verständnislos angucken wird, daß Kartoffeln nicht gleich Kartoffeln sind, welche Stunde um »fünf über Sieben« geschlagen hat und wie seltsam das Saarländische wirklich ist.
Und wo Sie schon dabei sind: die zehnte Runde wird gerade erhoben — dauert nur ein paar Minuten. Viel Spaß! Und, bitte, weitersagen!
Acht Fragerunden gab es bereits von den Sprachforschern der Uni Augsburg. Ziel dieses Projekts ist es, einen Atlas des aktuellen Sprachgebrauchs zu erstellen, und jeder kann per Internet mitmachen.
Gerade wurden die Ergebnisse der achten Runde veröffentlicht: Wo wird mit »Mörtel«, wo mit »Speis« oder gar »Malta« gebaut? Wo zahlt man mit »Groschen«, wo mit »Zehnern«? Gibt’s Ärger wegen einer »Zwille«, einer »Katsche« oder einer »Fletsch«? Sicher gibt es drängendere Fragen, aber die Freude an den hübschen Wörtern ist den Klick wert.
Und dann am besten gleich die Fragen für Runde 9 beantworten.
Ich hatte es vor einer ganzen Weile schon mal im Blog; nun geht es weiter — das Projekt »Atlas zur deutschen Alltagssprache« der Uni Augsburg fragt zum achten Mal.
Auch die Ergebnisse der siebten Runde sind frisch veröffentlicht: Wird man bei Ihnen verklopft oder verkloppt? Schwimmen in den Teichen Ihrer Gegend Wasserlinsen oder Entenflott? Und bestellt man in einer Bäckerei bei Ihnen professionell einen Hefegebäckmann?
Viel Vergnügen!
Herrreinspaziert, hereinspaziert! Kommen Sie, sehen Sie, staunen Sie: den tollkühnen Schwertschlucker! die Dame ohne Unterleib! den Wassermann, halb Mensch, halb Fisch! Karussell für die Kleinen, für die Großen Tanz! — Immer dabei: die Kirmesorgel mit den neuesten Gassenhauern, und die Kinder wollen alle gern die niedlichen Puppen mit ihren Trommeln und Glöckchen anschauen, anfassen, mit nach Hause nehmen …
So kam die Musik zu den Leuten, von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg. Mit dem Rundfunk und der Verbreitung von Plattenspielgeräten wurde es einfacher, Musik ganz nach Geschmack individuell zusammenzustellen; bald galten die schrankwandgroßen, nur gerade noch mobilen Apparate als überholt. Man tauschte sie aus gegen handlichere und vielseitigere moderne Musikanlagen. Pfeifen und Flöten, Schellen und Trommeln, ganze Orchester verstaubten, oder sie wärmten ein paar Tage lang die Stube.
In den letzten Jahrzehnten hat man wieder hervorgeholt, was hervorzuholen war, restauriert (eine fast vergessene Kunst) und gesammelt. Es gibt in Deutschland inzwischen einige Gesellschaften für mechanische Musik, zum Beispiel die Gesellschaft für Selbstspielende Musikinstrumente oder die Drehorgelfreunde in Berlin (Homepage mit hinreißenden Tips zur Pflege und Lagerung der Instrumente); und hin und wieder sieht man die altehrwürdigen Maschinen heute auch außerhalb von Museen, wenn sie auf nostalgischen Jahrmärkten ihren Dienst verrichten.
Die ersten Musikautomaten stammen aus Frankreich, aus Deutschland und später aus den Niederlanden; die Namen der Hersteller stehen meist gut sichtbar auf der Fassade: Gavioli, Limonaire, Ruth, Bruder, Perlee, van der Wouden. Die niederländischen Jahrmarktsorgeln — die Draaiorgels — haben aber auch jede noch einen eigenen Namen: de Hartenvrouw, de Arabier, de Angelina, het Blauwtje, de Rosalinda. Sie waren so beliebt, daß von vielen von ihnen sogar Schallplattenaufnahmen kursierten; dank YouTube kommen sie auch heute wieder jede für sich zu Ehren.
Heute spielen sie nicht nur alte Musik, sondern auch neue Lieder. Notenmaterial gibt es meterweise: in einem aufwendigen Verfahren werden die einzelnen Stimmen in Kartonbänder gestanzt und steuern über bewegliche Zapfen den Luftfluß in die einzelnen Pfeifen des Instruments. Wenn das (inzwischen meist motorisierte) Drehrad in Schwung gebracht wird und Luft aus den Blasebälgen durch das kunstvolle System von Pfeifen und Perkussionsinstrumenten strömt, dann tönt aus dem gigantischen, bunt verzierten Kasten unzweifelhaft Musik, die in Beine zu gehen und Herzen zu rühren vermag.
Der folgende Film aus dem Jahr 1971 (niederländisch ohne Untertitel) zeigt die letzten Amsterdamer Draaiorgel-Spieler. Sie protestieren gegen die moderne Verkehrsordnung der Stadt.
Inzwischen scheint es den verbliebenen niederländischen Draaiorgel-Spielern wieder verhältnismäßig gut zu gehen — in der Ecke für Folklore, Nostalgie und Kurioses.
Numminen, geboren 1940, studierte in Helsinki unter anderem Nationalökonomie, Philosophie, Soziologie und Sprachwissenschaften. Um Marx im Original zu lesen und »Frauen zu beeindrucken«, lernte er Deutsch. Es hat alles nichts geholfen, wie er in seiner Selbstdarstellung schreibt; er ist doch Musiker geworden.
Mit unterschiedlichen Bands hat er sich um den Jazz und vor allem den finnischen Tango verdient gemacht (und dabei eine Reihe bemerkenswerter Haartrachten zur Schau getragen). Seine klassischen Konzerte sind ausgebuht, seine Lieder zensiert [pdf] worden. Er ist der Mann, der Wittgensteins Tractatus vertont hat und den jedes finnische Kind als weißen Hasen aus dem Fernsehen kennt. Seine Fans skandieren: NUMMINEN, DO IT MORE FALSELY!
Hier sind zwei Minuten Numminen für Einsteiger:
PS: Ursprünglich hatte ich in diesem Artikel viele Dinge mehr aufgeschrieben, sie dann aber alle wieder gestrichen — wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.
PPS: Und gleich reagiert ein Fahrrad-Blog. Ob uns eine Numminen-Renaissance bevorsteht? Bei Trikont gibt es seine großartig-abseitige CD »Dägä Dägä« … (Ich danke Stroheim für den Stups Richtung Trikont!)
Im Münster gibt es eine Prokrastinationsambulanz (– wenn die Klientel typischerweise nicht dazu kommt, sich einen Termin geben zu lassen, sicher ein lockerer Job). Auf der Webseite kann man prima Zeit verplempern.
Die Münsteraner meinen übrigens, ich sollte mal einen Kurs bei ihnen machen gegen dieses ewige Aufschieben. Darüber werde ich nachdenken, wenn ich wieder mehr Zeit habe.
Auch für meinen neuen Blogeintrag brauche ich noch ein Weilchen. Erstmal muß ich nämlich dringend arbeiten!
Allen Freunden des Abstrusen seien hiermit »Strindberg (Strinnnbeeeerg!) & Helium (Heeeeliuuuum!)« ans Herz gelegt.
Vier animierte Kürzestfilmchen um den düsteren Dramatiker und seinen drallen, nunja, Begleiter können auch den fürchterlichsten Tag versüßen — leider, leider sind es nicht mehr. Viel Vergnügen!
Es gibt ein neues Web-Experiment — von 3. bis zum 7. August 2009 führt Richard Wiseman einen Versuch zum Mitmachen durch. Diesmal geht es um nichts Geringeres als darum, glücklicher zu werden und ganz nebenbei die Welt glücklicher zu machen.
Ob das funktioniert? Ich mache mit — in einer Woche kann ich Näheres sagen.
Ich habe mich ein bißchen verliebt. Es ist eine Fernbeziehung, übers Internet, sehr voyeuristisch und vollkommen einseitig: Sie heißt One and other von Antony Gormley.
Auf dem Trafalgar Square, 1820–45 angelegt, gruppieren sich um die berühmte Bildsäule Admiral Nelsons vier Sockel. Mit drei Reiterstandbildern — das vierte wurde zunächst aus Geldgründen nicht errichtet; später konnten sich die Stadtväter nicht einigen, wer auf den Sockel darf.
In einer Reihe zeitgenössischer Kunstprojekte hat nun Antony Gormley den Sockel für 100 Tage belegt. Bei ihm dürfen alle nach oben: 2400 gewöhnliche Briten, jeder eine Stunde lang, 24 Stunden am Tag. Das Ganze wird von mehreren Kameras aufgezeichnet und live per Internet übertragen.
Frauen und Männer sind gleich stark vertreten und aus jeder Region Großbritanniens so viele, wie es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht. Die Regeln sind einfach: Feuer und Waffen sind verboten, Betrunkene nicht erwünscht. Gesetz ist Gesetz. Man muß seine Stunde auf dem Sockel allein verbringen, darf sich aber kostümieren und alles an Gegenständen mitbringen, was man tragen kann.
Ein lebendiges Porträt der Menschen des Vereinten Königreichs will Gormley dort auf dem vierten Sockel erschaffen, durch ganz normale Leute, die einfach sie selbst sind. Er macht keine Vorgaben für die Stunde auf dem Präsentierteller. Nunja, »normal« ist naturgemäß etwas schwer zu fassen, und ob sich wirklich ein repräsentativer Querschnitt der britischen Bevölkerung auf diesen Sockel hieven läßt, wage ich zu bezweifeln.
Ich schaue jedenfalls jeden Tag nach, was die Briten da oben treiben. Und, oh, da gibt es was zu sehen: die Profi-Harfenistin, den Elvis-Imitator, Engels- und Tierkostüme aus Plüsch und Draht, Transparente, Luftballons und Sportgeräte. Manche nutzen ihre Stunde, um für einen guten Zweck zu werben oder für ihre Seifenfabrik; andere machen Bilder, zeichnen, fotografieren, filmen. Viele begeben sich in den Dialog mit den Zuschauern, die unten stehen, oder posieren für die Kameras. Und einige wenige machen nichts. Sie stehen oben, wie sie unten stehen würden: Statuen betrachten ihre Betrachter.
Dabei sind die »Figuren« nur ein kleiner Teil dessen, was hier passiert: Die Zuschauer auf dem Platz rufen, lachen, pfeifen, sie fangen Papierflieger, Bonbons, T-Shirts, abgeschnittene Haarsträhnen auf. Die Medien berichten unterschiedlich angetan; von Euphorie über Parodie bis hin zum Totalverriß ist alles dabei. »To plinth« ist inzwischen ein reguläres englisches Verb. Und dann sind da noch die heimlichen Beobachter im Netz, jeder mit seinen ganz persönlichen Reaktionen.
Warum schaue ich mir das an? Das, was mich an Richensas, Garganos, Hykes Blicken in fremde Fenster fasziniert, das habe ich hier in anderem Rahmen; ohne die Kontinuität, dafür mit Einwilligung derjenigen, die ich beobachte: scheinbare Intimität; ein endloses Entstehen von Geschichten in meinem Kopf, in anderen Köpfen. Menschen, emporgehoben.
Gleichzeitig kann ich das Rauschen im Netz wahrnehmen, das Echo der Präsenzen, der Aktivitäten, der Biographien auf dem Sockel: »– Großartig! — Ich bewundere Gormleys Werk! — Und das soll Kunst sein? Langweilig! — Der Mann von heute nacht um Drei sollte wirklich kein Latex tragen. — Schon wieder einer mit Mobiltelefon! — Wenn ich auf den Sockel käme, ICH würde etwas Kreatives tun … — Ihr Idioten: das ist doch alles nur ein Marketing-Gag! –«
Letztendlich sind es aber wohl doch Bilder, die mich anziehen. Die junge Frau, die unter ihrem Regenschirm wartet, daß ihre Stunde verstreicht. Der Herr im Maßanzug, der unbeweglich naß wird. Die Bibliothekarin, der ihre Aufregung ins Gesicht geschrieben steht. Der Tod auf dem weißen Fahrrad.
Und irgendwo muß es ihn doch geben, den Durchschnitt? Vielleicht kommt er hier zustande, in einer unscheinbaren Stunde auf dem vierten Sockel auf dem Trafalgar Square in London. Ich werde es mir anschauen.